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Pieter Hugo
Peripheral Dispatches

PERIPHERAL DISPATCHES

Pieter Hugo

February 11th – April 15th, 2017

| DE

Pieter Hugo (*1976) ist einer der bedeutendsten Fotokünstler des 21. Jahrhunderts. Die Aufnahmen des Südafrikaners sind Herausforderungen an den Betrachter: komplex und widersprüchlich, überwältigend schön und verstörend zugleich. Intensive, singuläre Bilder, die sich aus der all-täglichen Bilderflut abheben und in unser Gedächtnis einbrennen.
Unter dem Titel „Peripheral Dispatches“ präsentiert Priska Pasquer die neuesten Porträtserien von Pieter Hugo. Die Werkgruppen „1994“, „Californi-an Wildflowers“ und „Flat Noodle Soup Talk“ entstanden in Südafrika, Ruanda, Kalifornien und Peking.

Pieter Hugos Fotografien sind „Peripheral Dispatches“ – periphere Botschaften, Notizen aus Randgebieten und Reibungszonen. Seine Werke entstehen in Gefilden abseits der Norm, in unsicheren Bereichen und an unbequemen Or-ten des Übergangs. Pieter Hugo sucht die Wirklichkeit jenseits der Klischees. Er fotografiert dort, wo sich gesellschaftliche Konventionen auflösen, wo Normen zerbröckeln und das Haltlose und Strukturlose sich ausbreiten. Er blickt hinter die Oberflächen und stellt niemanden bloß. Er weiß, dass Schönheit und Armut, Verletzlichkeit und Würde einander nicht ausschließen. Und dass es eine Welt ohne Widersprüche nicht gibt.

Pieter Hugos künstlerisches Potenzial speist sich aus seiner großen Neugierde und seiner enormen Wissbegierde. Er weiß, dass die sogenannte Wirklichkeit eine komplizierte Sache ist. Auf die Frage, was die Fotografie kann, was andere Medien nicht können, antwortet er: „Sie fragt, was real ist.“ (Mono-pol, Juli/August 2016) Hugos Bilder sind Zumutungen. Sie zeigen die Komplexität der Wirklichkeit, die Schönheit im Schrecklichen und sie zwingen den Betrachter, diese Widersprüche auszuhalten. Es ist ein südafrikanischer Blick auf die Welt.

„Peripheral Dispatches“ ist die dritte Ausstellung von Pieter Hugo bei Priska Pasquer. 2015 zeigte sie mit „Corporeality“ die erste Einzelausstellung des Fotografen in Deutschland. 2016 präsentierte sie die umfangreiche Werk- gruppe „Kin“.

1994
In Südafrika und Ruanda hat Hugo Kinder fotografiert, die nach 1994 geboren wurden. Die Porträts entstanden in der freien Natur. Unweigerlich evozieren sie das romantische Klischee der „idyllischen“ Kindheit in der „unberührten“ Natur. Doch die Landschaft rund um die Dörfer ist aufgeladen mit Bedeutung – getränkt vom Blut des Völkermords in Ruanda, durchzogen von willkürlichen Grundstücks-grenzen in Südafrika. Die Kinder haben die Gräuel des Genozids und die Brutalität des Apartheidregimes nicht mehr erlebt und wachsen in einer vergleichsweise friedlichen Umgebung auf. Und doch meint man in ihren ernsten Gesichtern ablesen zu können, dass die Vergangenheit ihre Schatten in die Zukunft wirft.

Californian Wildflowers
Der Tenderloin District in San Francisco ist ein sozialer Brennpunkt mit einer Vielzahl an Obdachlosen, Alkoholikern und Drogen- abhängigen. Ein Outsider-Bezirk mitten im Zentrum der Stadt, in dem sich die Freak-Szene (noch) gegen die digitale Ökonomie des nahe gelegenen Silicon Valley behauptet. Für Pieter Hugo „fühlt es sich an wie eine anarchische Gemeinschaft inmitten eines verrückten Booms“. (Pieter Hugo über Californian Wildflowers, 2016). Hier ist er offen auf Menschen zugegangen, die ihm ohne Angst begegnet sind. Sie haben sich ihm gezeigt in all ihrer Schönheit und Verletzlichkeit, in ihrer Lebendigkeit und Besonderheit.

Flat Noodle Soup Talk
„Here, in Africa and elsewhere, I want to photograph evidence of the fragility and vulnerability of the inhabitants.“ Pieter Hugo über „Flat Noodle Soup Talk“, 2016.
Die dritte in der Ausstellung gezeigte Werkgruppe, „Flat Noodle Soup Talk“, entstand 2015/16 in Peking. Der südafrikanische Künstler bezeichnet die chinesische Hauptstadt als den existenziells-ten Platz, den er je erlebt hat. Auch hier hat er Reibeflächen aufgespürt, an denen die Komplexität des modernen Lebens sichtbar wird. „Mei-ne Fotografien fokussieren die Kontraste oder das Nebeneinander, die das heutige China beleben.“ (Pieter Hugo über Flat Noodlesoup Talk, 2016). Fasziniert hat er den Lebensstil einer jungen Generation beobachtet, die den Widerspruch aushält, in einer staatlich überwachten post-revolutionären Konsumgesellschaft zuW leben. „Von der Oberfläche, den offiziösen Bildern, in die Tiefe, zur nicht nur schönen Seele der Gesellschaft – tatsächlich schildert Hugo seine Annäherung an Peking wie eine Bewegung von außen zum Kern“, schreibt Jens Hinrichsen in einem Text zu einem exklusiven Portfolio der Serie, das MONOPOL im Juli 2016 veröffentlichte.

Parallel zu dieser Ausstellung widmet das Kunstmuseum Wolfsburg, dem gerade einmal 40jährigen Künstler, Pieter Hugo die erste große Retrospektive in Deutschland. Sie umfasst seine 15 Werkgruppen, darunter die Serien „Looking Aside“, „Kin“, „The Hyena Men“, „Permanent Error“, „There’s a Place in Hell for Me and My Friends“ oder „Nollywood“, durch die Pieter Hugo bekannt geworden ist.
Die jüngst entstandenen Projekte „Flat Noodle Soup Talk“ und „Californian Wildflowers“ werden erstmalig weltweit gemeinsam sowohl im Kunstmuseum Wolfsburg als auch bei Priska Pasquer gezeigt.

Kunstmuseum Wolfsburg: Pieter Hugo. Between the Devil and the Deep Blue Sea, kuratiert von Dr. Uta Ruhkamp, 19.2.-23.7.2017

Aktuelle Publikationen
„Pieter Hugo. Between the Devil and the Deep Blue Sea“ Ausstellungskatalog Kunstmuseum Wolfsburg
Hrsg. Dr. Ralf Beil und Dr. Uta Ruhkamp
Mit einem Vorwort des Museumsdirektors Dr. Ralf Beil, einem Essay der Kuratorin Dr. Uta Ruhkamp sowie eigens erstellten Texten des Künstlers zu allen Fotoserien bis dato, deutsche und englische Ausgabe, 224 Seiten mit 180 Farbabbildungen, Prestel Verlag München, 2017 (erscheint am 27.2.2017)

„Pieter Hugo. 1994“
Mit einem Text von Ashraf Jamal (engl.)
Prestel Verlag München, 2017

„Pieter Hugo. Flat Noodle Soup Talk“
Editions Bessard Paris, 2016

| EN

Pieter Hugo (b. 1976) is one of the most important photographic artists of the 21st century. The images the South African artist produces are a challenge to their viewers: complex and contradictory, at the same time unsettling and staggeringly beautiful. They are intense, singular pictures that stand out from the everyday deluge of images and burn themselves into our memories.
Under the title “Peripheral Dispatches,” Priska Pasquer presents Pieter Hugo’s most recent portrait series. The groups of works “1994”, “Californian Wildflowers” and “Flat Noodle Soup Talk” were produced in South Africa, Rwanda, California and Beijing.

Pieter Hugo’s photographs are “Peripheral Dispatches” – peripheral communications, notes from the fringes and the friction zones. His works emerge in realms outside the norm, in unsecured regions and uncomfortable places of transition. Pieter Hugo seeks out the reality beyond clichés. He takes photo-graphs in those places where societal conventions are dissolved, where norms crumble away, and where groundless and structureless things proliferate. He looks beneath surfaces and does not expose or embarrass anyone. He knows that beauty and poverty, vulnerability and dignity are not mutually exclusive – and that there is no such thing as a world without contradictions.

Pieter Hugo’s artistic potential is fed by his great curiosity and his enormous thirst for knowledge. He knows that so-called “reality” is a complicated thing. In response to the question of what photography can do that other media cannot, he answers: “It questions what is real” (Monopol, July/August 2016).

Hugo’s images are impositions on the viewer. They reveal the complexity of reality, the beauty in the horrific, and they force the observer to tolerate these contradictions. It is a South African view of the world.

“Peripheral Dispatches” is Priska Pasquer’s third exhibition of Pieter Hugo’s work. In 2015, with “Corporeality,” she presented the photographer’s first solo exhibition in Germany. In 2016, she exhibited his extensive group of works “Kin.”

1994
In South Africa and Rwanda, Hugo photographed children who were born after 1994. These portraits were taken outdoors in nature. Inevitably, they evoke the romantic cliché of an “idyllic” childhood in “unspoiled” nature. Yet the landscape surrounding the villages is loaded with significance – soaked in the blood of the Rwandan genocide, permeated with arbitrary property lines in South Africa. The children are too young to have experienced the horrors of the genocide or the brutality of the Apartheid regime; they are growing up in a comparatively peaceful environment. Nevertheless, it seems that in their earnest faces, we can read that the past has cast its shadow over the future.

Californian Wildflowers
San Francisco’s Tenderloin District is a socially troubled area with a high rate of homelessness, alcoholism and drug addiction. It is an “outsider” district located directly in the center of a city in which the “freak” scene (still) asserts itself in contrast to the digital economy of the nearby Silicon Valley. For Pieter Hugo, “it feels like an anarchic community in the midst of a crazy boom” (Pieter Hugo on “Californian Wildflowers,” 2016). Here, he openly approached people who met him without fear. They revealed themselves to him in all of their beauty and vulnerability, in their vibrancy and distinctiveness.

Flat Noodle Soup Talk
„Here, in Africa and elsewhere, I want to photograph evidence of the fragility and vulnerability of the inhabitants.“
Pieter Hugo on „Flat Noodle Soup Talk“, 2016
The third group of works included in the exhibition, “Flat Noodle Soup Talk,” was produced in Beijing in 2015-16. The South African artist describes the Chinese capital as the most existential place he has ever experienced. Here, too, he sought out areas of friction in which the complexity of modern life becomes visible. “My photographs focused on the contrasts or juxtapositions that animate present-day China” (Pieter Hugo on “Flat Noodle Soup Talk,” 2016). With fascination, he observed the lifestyle of a young generation which endures the contradictions of living in a government-monitored, post-revolutionary consumer society. In his ac-companying text to an exclusive portfolio of the series which was published by Monopol in July 2016, Jens Hinrichsen wrote: “From the surface ‒ the officious images ‒ to the deep, not always beautiful soul of the society – Hugo effectively portrays his exploration of Beijing as a movement from the out-side into the core.”

In parallel to this exhibition, the Kunstmuseum Wolfsburg is presenting the first major German retrospective devoted to the work of Pieter Hugo – an artist who has only just celebrated his 40th birthday. The exhibition encompasses his 15 groups of works, including the series “Looking Aside,” “Kin,” “The Hyena Men,” “Permanent Error,” “There’s a Place in Hell for Me and My Friends” and “Nollywood,” for which Pieter Hugo became famous.

The most recently produced projects, “Flat Noodle Soup Talk” and “Californian Wildflowers” are being presented together for the first time worldwide – both at the Kunstmuseum Wolfsburg and at Priska Pasquer.

Kunstmuseum Wolfsburg: Pieter Hugo. Between the Devil and the Deep Blue Sea, curated by Dr. Uta Ruhkamp, February 19 – July 23, 2017

Current publications
“Pieter Hugo. Between the Devil and the Deep Blue Sea“
Exhibition catalog: Kunstmuseum Wolfsburg, Dr. Ralf Beil and Dr. Uta Ruhkamp, pubs.
With a foreword by museum director Dr. Ralf Beil, an essay by curator Dr. Uta Ruhkamp as well as texts composed by the artist himself for all the photographic series to date; German and English edition; 224 pages with 180 color illustrations; Prestel Verlag Munich, 2017 (publication date: February 27, 2017)

“Pieter Hugo. 1994“
With a text by Ashraf Jamal (English)
Prestel Verlag Munich, 2017

“Pieter Hugo. Flat Noodle Soup Talk“
Editions Bessard Paris, 2016

PIETER HUGO, KIN

KIN
Pieter Hugo

January 30th – April 9th, 2016

| EN

Following Pieter Hugo’s first ever solo exhibition in Germany, CORPOREALITY, we are pleased to present  his new series KIN.

South African Pieter Hugo has established himself as one of the world’s best-known artists within the space of just a few years. His photographs show the conflicts and inconsistencies at the heart of society, such as the chasm between rich and poor and the effects of racism and corruption. Constants in his work include seriousness, neutrality and an underlying respect for his protagonists, whose dignity always remains intact.

Created between 2006 and 2013, the KIN series consists of portraits, landscapes and still lifes. The exhibition appeared in the Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris in 2015.

“South Africa is a fractured, schizophrenic, wounded and troubled place”, says Pieter Hugo. How can one live there? He feels like a “colonial piece of driftwood”, which is arguably what opens his eyes to the contradictions and conflicts, for the areas of friction and tension that exist within (South) African society.

KIN deals with home, proximity, identification and a sense of belonging – something that, in South Africa, he has always experienced as being critical and riddled with conflict: How can one live in this country, which only shed its colonial heritage relatively recently, and which is plagued by racism and a growing chasm between rich and poor?

Hugo shot photos at home, in townships and at historical sites, taking portraits of his pregnant wife, of domestic servants and of homeless people. The calm and clearly composed shots show beauty and ugliness, wealth and poverty, private and public, historical and topical. Without either idealizing or dramatizing the subject matter, they paint a portrait of the complex society in South Africa today.

| DE

Wir freuen uns, Ihnen nach der Einzelausstellung CORPOREALITY von Pieter Hugo im letzten Jahr, nun die Serie KIN zum ersten Mal in Deutschland zeigen zu können.

Der Südafrikaner Pieter Hugo ist innerhalb weniger Jahre zu einem der bekanntesten Künstlern weltweit aufgestiegen. Seine Fotografien zeigen die Zerrissenheit und die Widersprüche der Gesellschaft, wie das Gefälle zwischen Arm und Reich, die Auswirkungen von Rassismus und Korruption. Konstanten seines Werks sind Ernsthaftigkeit, Neutralität sowie ein grundsätzlicher Respekt vor seinem Gegenüber, dessen Würde stets gewahrt bleibt.

Die zwischen 2006-2013 entstandene Serie KIN (Sippe) umfasst Porträts, Landschaften und Stilleben.
Die Ausstellung war 2015 in der Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris zu sehen.

“Südafrika ist so ein zerbrochener, schizophrener, verwundeter und problematischer Ort,“ sagt Pieter Hugo. Wie kann man dort leben? Er empfinde sich als ein Stück „koloniales Treibholz“. Es ist wohl dieses Bewusstsein, das ihm die Augen öffnet für die Widersprüche und Dissonanzen, für die Reibungszonen und Spannungsfelder innerhalb der (süd-) afrikanischen Gesellschaft.

In KIN geht es um Heimat, Nähe, Identifikation und Zugehörigkeitsgefühl – etwas, das er in Südafrika von jeher als kritisch und konfliktgeladen erlebt hat: Wie kann man leben in diesem Land, das sein koloniales Erbe noch lange nicht hinter sich gelassen hat und geprägt ist von Rassismus und einer immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich?

Hugo fotografierte zu Hause, in Townships und an historischen Plätzen, machte Porträts seiner schwangeren Frau, von Hausangestellten und Obdachlosen. Die ruhigen und klar komponierten Aufnahmen zeigen Schönheit und Hässliches, Reichtum und Armut, Privates und Öffentliches, Historisches und Aktuelles. Weder idealisierend noch dramatisierend entwerfen sie ein Porträt der komplexen Gesellschaft im heutigen Südafrika.

PIETER HUGO, CORPOREALITY

CORPOREALITY
Pieter Hugo

January 30th – April 25th, 2015

| DE

“Auch wenn es sich so anfühlt, als würde ich es schon seit jeher tun, bin ich immer noch schüchtern. Es ist einfacher, einen Fremden zu verprellen, als ihn kennenzulernen. Man muss zuerst erklären, wer man ist und welche Absichten man hat, und dann das unvermeidliche WARUM? beantworten. Dann der Akt der Überzeugung, um zu einer Übereinkunft zu gelangen. Das Gegenüber muss bereit sein, etwas zu geben. Ich möchte ihm nicht das Gefühl vermitteln, dass das Bild nur durch mein Handeln entstanden ist. Dafür braucht es – und darauf hoffe ich – einen Moment freiwilliger Verletzlichkeit.” – Pieter Hugo

Was heißt es heute, in Städten zu leben? Um diese Frage kreist das fotografische Werk von Pieter Hugo (*1976). Der südafrikanische Fotokünstler, der schon mit Anfang 20 – damals noch als Bildjournalist für u.a. die New York Times tätig – durch ganz Afrika reiste, erfasst vor allem die körperliche Präsenz von Menschen in ihren jeweiligen, oftmals von Dissonanzen geprägten Kulturen. Seine eindringlichen Porträts formieren sich zu einem sozialen Tableau, das die aktuelle und radikal kritische Lebenswirklichkeit nicht nur in afrikanischen Großstädten abbildet. In der ersten Einzelausstellung von Pieter Hugo in Deutschland zeigt | PRISKA PASQUER Werke aus seinen wichtigsten Serien, darunter „The Hyena and Other Men“ (2007), “Permanent Error” (2009-2010) und “There Is A Place in Hell for Me and My Friends” (2011-2012).

„Südafrika ist so ein zerbrochener, schizophrener, verwundeter und problematischer Ort,“ sagt Pieter Hugo. Wie kann man dort leben? Er empfinde sich als ein Stück „koloniales Treibholz“. Es ist wohl dieses Bewusstsein, das ihm die Augen öffnet für die Widersprüche und Dissonanzen, für die Reibungszonen und Spannungsfelder innerhalb der (süd-)afrikanischen Gesellschaft. In seiner 2005-2007 entstandenen „The Hyena Men Series“ hat Pieter Hugo das Drama der postkolonialen Gesellschaft erstmals exemplarisch erfasst. In Nigeria fand er eine Gruppe junger Männer, die mit Hyänen, Pavianen und Schlangen leben. Einer Tradition folgend, ziehen sie mit ihren Tieren als Schausteller umher und verkaufen traditionelle Medizin. Ihre Auftritte gelten als Sensation und finden ein begeistertes Publikum. In seinen vor der Kulisse konturloser Shantytowns entstandenen Aufnahmen konzentriert sich Pieter Hugo auf das Verhältnis der Männer zu ihren Tieren. Die klar komponierten Fotografien sind verstörende Sinnbilder für die extreme Spannung zwischen Natur und Kultur, zwischen Mensch und Tier, Tradition und Moderne, Stadt und Wildnis, die das Leben in den Städten der Subsahara heute prägt.

Müllkippe Europas – auch das ist Afrika. So landet ein Großteil der im Westen ausrangierten Handys, Computer und Laptops in Ghana, wo sich der containerweise herbeigeschaffte Computerschrott zu riesigen Halden türmt. Die Deponien liegen nicht einfach brach, sondern sind zu einem prekären Arbeitsraum für Tausende von Menschen geworden, die hier als Metallsammler ihr Auskommen suchen. Zusammen mit ihren Kühen leben sie auf den hochgiftigen, schwelenden Abfallbergen und versuchen, durch Verbrennen der Geräte an verwertbare Metalle zu kommen. Pieter Hugo hat auf einer Mülldeponie am Stadtrand von Accra apokalyptische Szenarien fotografiert – bedrohliche Visionen einer Endzeit, in der Informationszeitalter und Steinzeit aufeinanderprallen und sich gegenseitig auszulöschen scheinen. In der Ausstellung wird die auf der Serie „Permanent Error” (2009-2010) basierende Videoinstallation gezeigt.

Zwischen 2006 und 2013 arbeitete Pieter Hugo an einem Projekt, das er „Kin“ (Sippe) nannte. Darin geht es um Heimat, Nähe, Identifikation und Zugehörigkeitsgefühl – etwas, das er in Südafrika von jeher als kritisch und konfliktgeladen erlebt hat: Wie kann man leben in diesem Land, das sein koloniales Erbe noch lange nicht hinter sich gelassen hat und geprägt ist von Rassismus und einer immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich? Hugo fotografierte zu Hause, in Townships und an historischen Plätzen, machte Porträts seiner schwangeren Frau, von Hausangestellten und Obdachlosen. Die ruhigen und klar komponierten Aufnahmen zeigen Schönheit und Hässliches, Reichtum und Armut, Privates und Öffentliches, Historisches und Aktuelles. Weder idealisierend noch dramatisierend entwerfen sie ein Porträt der komplexen Gesellschaft im heutigen Südafrika.

Denn die Einigkeit der so genannten Regenbogennation ist Wunschdenken. Auch zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid sind Schwarz und Weiß in Südafrika noch lange nicht eins. In der 94 Platinum-Prints umfassenden Serie “There Is A Place in Hell for Me and My Friends” (2011-2012) beschäftigt sich Pieter Hugo mit den vermeintlichen Unterschieden der Hautfarben. Dafür hat er hat sich selber und südafrikanische Freunde porträtiert. Die in Nahaufnahme, zumeist als frontale Brustbilder aufgenommenen Farbfotografien wurden digital nachbearbeitet. Die Bildmanipulation, bei der die Farbkanäle in Grauwerte übersetzt wurden, betont die Pigmentierung der Haut und macht durch UV-Einstrahlung entstandene Hautschäden sowie kleine, direkt unter der Haut liegende Blutgefäße sichtbar. Das Ergebnis ist verblüffend: Auf diesen Fotografien sind alle Menschen farbig. Es gibt keine Unterschiede mehr zwischen „weißer“ und „schwarzer“ Haut, sondern nur noch eine Vielzahl individueller Tönungen. Die Porträts zeigen die kraftvolle Präsenz eines jeden Individuums und offenbaren zugleich die Verletzlichkeit aller Menschen, die Zartheit und Angreifbarkeit ihrer äußeren Hülle.

Mit seinen verschiedenen Bildserien hat Pieter Hugo in nur wenigen Jahren ein beeindruckendes Œuvre vorgelegt. Über die intensive Wahrnehmung der Körperlichkeit erfasst er in seinen Menschenbildern die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Gesellschaft. Konstanten seines Werks sind Ernsthaftigkeit, Neutralität sowie ein grundsätzlicher Respekt vor seinem Gegenüber, dessen Würde stets gewahrt bleibt. Von diesem Ansatz her sind seine Arbeiten mit dem monumentalen Porträtwerk August Sanders vergleichbar, der mit seinem großangelegten Zyklus „Menschen des 20. Jahrhunderts“ ein Zeitbild der Weimarer Republik geschaffen hat.

Im Jahre 1976 in Johannesburg geboren, lebt und arbeitet Pieter Hugo in Kapstadt.

Bislang wurde seine Werke u.a. in folgenden wichtigen Museumsausstellungen gezeigt:
The Hague Museum of Photography, Musée de l’Elysée in Lausanne, Ludwig Museum in Budapest, Fotografiska in Stockholm, MAXXI in Rom und im Institute of Modern Art Brisbane. Pieter Hugo hat an vielen wichtigen Gruppenausstellungen teilgenommen, beispielsweise in der Tate Modern, im Folkwang Musem, in der Fundação Calouste Gulbenkian und auf der São Paulo Biennale. Seine Werke in folgenden Sammlungenvertreten: Museum of Modern Art, V&A Museum, San Francisco Museum of Modern Art, Metropolitan Museum of Modern Art, J Paul Getty Museum, Walther Collection, Deutsche Börse Group, Folkwang Museum und Huis Marseille. Im Jahr 2008 erhielt Pieter Hugo den Discovery Award beim Rencontres d’Arles Festival und den KLM Paul Huf Award und 2011 den Seydou Keita Award auf der Rencontres de Bamako African
Photography Biennale. 2012 wurde er für den Deutschen Börse Photography Prize nominiert.

| EN

“Even though it feels like I’ve been doing it forever, I am still daunted. It is easier to alienate a stranger than it is to get to know a stranger. You first have to explain who you are and what your intentions are, and then answer to the inevitable WHY? Then the act of persuasion, coming to an agreement. The subject has to be willing to give something. I don’t want it to feel like the image was taken with me only taking. It needs and I hope for a moment of voluntary vulnerability.” – Pieter Hugo on Portraiture

What does it mean to live in cities today? This question is central to the photographic works of Pieter Hugo (*1976). The South African photo artist, who travelled through Africa while only in his early twenties – then still as a photo journalist for the New York Times and other publications – captures above all the corporeal presence of people in their respective, often conflict-ridden cultures. His urgent portraits come together to form a social tableau that depicts the current and radically critical realities of life, not only in African cities. In the first ever exhibition in Germany to be devoted entirely to the works of Pieter Hugo, | PRISKA PASQUER will be showcasing works from his most important series, including “The Hyena and Other Men” (2007), “Permanent Error” (2009-2010) and “There Is A Place in Hell for Me and My Friends” (2011-2012).

“South Africa is a fractured, schizophrenic, wounded and troubled place”, says Pieter Hugo. How can one live there? He feels like a “piece of colonial driftwood”, which is arguably what opens his eyes to the contradictions and conflicts, for the areas of friction and tension that exist within (South) African society. In “The Hyena Men Series” (2005-2007), Pieter Hugo exemplified the innate drama of post-colonial society for the first time. In Nigeria, he found a group of young men living with hyenas, baboons and snakes. Following a tradition, they travel around as actors with their animals and sell traditional medicine. Their performances create a sensation and enthral audiences. In his shots, taken against the backdrop of contourless shanty towns, Pieter Hugo focuses on the men’s relationship with their animals. The clearly composed photographs are unsettling images that symbolise the extreme tension between nature and culture, between humans and animals, tradition and modernity, city and wilderness that characterises urban sub-Saharan life today.

Africa also serves as a rubbish dump for Europe. Many of the mobile phones, computers and laptops discarded in the West end up in Ghana, where container-loads of computer scrap are piled up high. The deposits are not simply left idle, but rather serve as a precarious working environment for thousands of people who earn a living collecting metal here. Together with their cows, they live on the highly toxic, smouldering mountains of waste, burning appliances in search of reusable metals. Pieter Hugo photographed apocalyptic scenarios on a rubbish dump on the outskirts of Accra – ominous visions of an endgame in which the Information Age and the Stone Age collide and appear to eliminate one another. The exhibition also features the video installation based on the series “Permanent Error” (2009-2010).

Between 2006 and 2013, Pieter Hugo worked on a project that he called “Kin”. This deals with home, proximity, identification and a sense of belonging – something that, in South Africa, he has always experienced as being critical and riddled with conflict: How can one live in this country, which only shed its colonial heritage relatively recently, and which is plagued by racism and a growing chasm between rich and poor? Hugo shot photos at home, in townships and at historical sites, taking portraits of his pregnant wife, of domestic servants and of homeless people. The calm and clearly composed shots show beauty and ugliness, wealth and poverty, private and public, historical and topical. Without either idealising or dramatizing the subject matter, they paint a portrait of the complex society in South Africa today.

This is because any notion of harmony in the “Rainbow Nation” is wishful thinking. Even twenty years after the end of apartheid, black and white South Africans are still very much divided. In the series of 94 platinum prints “There’s A Place in Hell for Me and My Friends” (2011-2012), Pieter Hugo explores the supposed differences between skin colours. To do so, he took portraits of himself and South African friends. The close-ups, generally in the form of frontal head and shoulder portraits, were digitally processed afterwards. The image manipulation, whereby the colour channels were translated into grey tones, emphasise the pigmentation of the skin, using UV irradiation to render visible skin damage and small blood vessels directly beneath the skin. The results are quite astounding: on these photographs, all people are coloured. There is no longer a difference between “white” and “black” skin, but rather a variety of individual shades. The portraits show the powerful presence of each individual and, at the same time, the fragility of all people and the softness and utter vulnerability of their outer shell.

With his various photo series, Pieter Hugo has put together an impressive body of work in the space of just a few years. Through this intense perception of corporeality, he captures the complexity and inconsistency of society. Constants in his work include seriousness, neutrality and an underlying respect for his protagonists, whose dignity always remains intact. In this regard, his works are comparable with the monumental portrait works of August Sanders, who created a contemporary picture of the Weimar Republic with his large-scale cycle “Menschen des 20. Jahrhunderts” (People of the 20th Century).

Pieter Hugo (born 1976 in Johannesburg) is a photographic artist living in Cape Town. Major museum solo exhibitions have taken place at The Hague Museum of Photography, Musée de l’Elysée in Lausanne, Ludwig Museum in Budapest, Fotografiska in Stockholm, MAXXI in Rome and the Institute of Modern Art Brisbane, among others. Hugo has participated in numerous group exhibitions at institutions including Tate Modern, the Folkwang Museum, Fundação Calouste Gulbenkian, and the São Paulo Bienal. His work is represented in prominent public and private collections, among them the Museum of Modern Art, V&A Museum, San Francisco Museum of Modern Art, Metropolitan Museum of Modern Art, J Paul Getty Museum, Walther Collection, Deutsche Börse Group, Folkwang Museum and Huis Marseille. Hugo received the Discovery Award at the Rencontres d’Arles Festival and the KLM Paul Huf Award in 2008, the Seydou Keita Award at the Rencontres de Bamako African Photography Biennial in 2011, and was shortlisted for the Deutsche Börse Photography Prize 2012.