PRISKA PASQUER COLOGNE
GENARO STROBEL SHINING BRIGHT
CURATED BY LEÓN KREMPEL (Kunsthalle Darmstadt)
Soft Opening, Saturday, April 30, 2022
April 30, 2022 – July 15, 2022
Genaro Strobel’s exhibition “Shining Bright” features a selection of four medium-sized wood engravings produced in Berlin and Vienna in early 2022 along with a previous one from 2018. Strobel first presented four of his “Farbkreise” (“Color Wheels”) at his exhibition “Size” held at Kunsthalle Darmstadt in 2021. Measuring 4 meters tall and 7 meters wide, they easily filled the main hall there. Displayed in an informal setting overlooking the Rhine (the Priska Pasquer Gallery’s temporary home in Cologne), their theme takes center stage. In a nutshell, color is Genaro Strobel’s theme. Instead of the photogravure and letterpress inks he’s previously experimented with, this marks a return to artists’ oil paints, no doubt because of their unsurpassed radiance and their spectrum – and also perhaps because he’s seeking to get closer to painting.
Genaro Strobel has continuously developed his technique referred to here as “wood engraving.” He begins the process by familiarizing himself with a place, observing and returning to it. Having conceived of a picture, he then starts taking more specific photographs. Once he’s decided on its format, he uses graphics software to continue editing his images before cutting – or rather burning – entire images onto a series of wood veneer panels with a laser. He then applies ink to these printing blocks with brush and roller. The resulting prints are merely assembled; no brushstrokes are added, no corrections made. Each of Strobel’s works is unique, for the combination of photographic image, impression (grain), and expressive painting always gives rise to a new work that’s more than the sum of the sequence of interrelated steps in its creation.
When taking a walk through the forest, we see each tree as an individual. And its individual fate is probably what Genaro Strobel has in mind by highlighting the grains of various tree species (e.g., ash, cherry, poplar, and walnut). Apart from the grain, however, the veneers – cut and mirrored – come into their own in the exhibition. The veneer prints are presented horizontally, i.e., the trunk has been tilted by 90 degrees. As a result, the background somewhat resembles the surface of a river flowing calmly.
“Shining Bright,” the piece lending its title to the exhibition, yet also “Farbiges Grau” (“Colorful Gray”) leading up to it, are both characterized by figures. Some round, others outlined, they stand out from the background by means of a halo, whose color they can adopt like a chameleon. While talking to Strobel, he explained that the bizarre figures represent memories of walking through Berlin and that, just like visitors to a city or an art gallery, they, too, can now immerse themselves in something – namely the imprints of veneer patterns!
In his compositions, Genaro Strobel allows color free rein. Refusing to systematize it, nevertheless he confidently associates his “Color Wheels” with attempts by, say, Goethe to describe the wavelengths of visible light as accurately as possible. His “Color Wheel 11” in orange and red selected for “Shining Bright” is superimposed with the greatly enlarged motif of a line drawing (also by Strobel) which, with its yellow and greenish-blue coloring, is reminiscent of a coat of arms on a flag. “Schwarz” (“Black”) is the title of the last of his new works. This, the darkest of all colors, has always exerted an effect on viewers that’s hard to describe. Genaro Strobel tries to capture this impact as something “draining” in an image where the color black is deep and, thanks to its warm color gradients exemplified in this work, emphasized as the main motif.
The earlier work from 2018 bears an abbreviation as its title that stands for “Zwischen dem Auge und dem Gehirn” (“Between eye and brain”). Printed entirely in black, it contains two views of a full moon side by side, slightly rotated against each other. The composition is reminiscent of a stereoscopic image, the illusion of three-dimensionality. However, the different axes can’t be related to the same subject simultaneously. Between eye and brain are the fibers of the optic nerve. As Genaro Strobel wrote in an email, this is where all his wood engravings start. And it’s also the place they’re supposed to return to when they’re eventually hung on a wall and viewed without prejudice.
León Krempel
Die Ausstellung “Shining Bright” von Genaro Strobel präsentiert eine Auswahl von vier mittelgroßen Holzgravuren, die Anfang des Jahres in Berlin und Wien entstanden, und zeigt dazu eine etwas ältere aus dem Jahr 2018. In seiner Ausstellung “Size” in der Kunsthalle Darmstadt 2021 hatte der Künstler erstmals vier seiner “Farbkreise” zeigen können, die mit bis zu vier Metern Höhe und sieben Metern Breite den Großen Hauptsaal mühelos füllten. In einem informellen Ambiente mit Blick über den Rhein, dem temporären Quartier der Galerie von Priska Pasquer in Köln, steht ihr Thema im Zentrum. Farbe ist Genaro Strobels Thema schlechthin. Anstelle von Tief- und Hochdruckfarben, mit denen er zuvor experimentiert hat, setzt er wieder Künstler-Ölfarben ein, zweifellos ihrer unübertroffenen Leuchtkraft und ihres Spektrums wegen. Vielleicht aber auch, weil er die Nähe zur Malerei sucht.
Seine hier als “Holzgravur” bezeichnete Technik entwickelte Genaro Strobel selbst unentwegt fort. Am Anfang des Werkprozesses steht das Vertrautwerden mit einem Ort, Beobachten und Wiederkommen, bevor der Künstler eine Bildidee fasst und gezielter zu fotografieren anfängt. Ist einmal die Entscheidung über das Format gefällt, bearbeitet er seine Bilder am Computer weiter und lässt dann einen Laser das Gesamtmotiv in Furnierholzplatten schneiden, genauer brennen. Seine Druckstöcke bearbeitet er darauf mit Pinsel und Rolle. Die Bögen, die aus der Presse kommen, werden nur noch zusammen montiert. Kein Strich mehr, keine Korrekturen. Jede seiner Arbeiten ist als Unikat aufzufassen. Denn die Überlagerung von Bild (Fotografie) und Abdruck (Maserung) lässt in Verbindung mit der expressiven Malerei immer wieder ein neues Werk entstehen, das mehr ist als die Summe der ineinander greifenden Arbeitsschritte.
Beim Waldspaziergang begegnet uns jeder Baum als Individuum. Und dessen Einzelschicksal ist wohl jeweils gemeint, wenn uns der Künstler Maserungen einer Esche, Kirche, Pappel und eines Nussbaums so sichtbar zeigt. In der Ausstellung kommen außer der Maserung allerdings auch die Furniere – geschnitten, gespiegelt – besonders zur Geltung. Die Furnierabdrücke sind quer orientiert, der Stamm also gekippt zu denken. Der so beschaffene Bildgrund ähnelt etwas der Oberfläche eines Flusses, der ruhig dahinströmt.
“Shining Bright”, die titelgebende Arbeit der Ausstellung, aber auch die darauf hinführende “Farbiges Grau” zeichnet gemeinsam das Vorkommen von bald rund, bald kantig umrissenen Figuren aus, die durch einen Halo vom Bildgrund abstechen, dessen Farbe sie dabei auch wie ein Chamäleon aufnehmen können. Im Gespräch mit dem Künstler wird das Innenleben der bizarren Gestalten als Erinnerungen an Gänge durch eine Stadt (Berlin) verständlich, die nun gewissermaßen selbst einmal wie der Stadtbesucher, selbst einmal wie der Kunstbetrachter in etwas eintauchen dürfen, und zwar in die Abdrücke von Furniermustern!
Genaro Strobel gibt der Farbe in seinen Kompositionen maximale Freiheit. Er verweigert sich ihrer Systematisierung und stellt seine “Farbkreise” doch selbstbewusst in eine Tradition mit Versuchen etwa Goethes, die Wellenlängen des sichtbaren Lichts so akkurat wie nur irgend möglich zu beschreiben. Sein für “Shining Bright” ausgewählter “Farbkreis 11” in Orange und Rot wird von dem extrem vergrößerten Motiv einer eigenen Strichzeichnung überlagert, die nun, gelb und grün-blau eingefärbt, wie ein Wappen auf einer Fahne prangt. “Schwarz” ist die letzte seiner neuen Arbeiten betitelt. Die dunkelste aller Farben übt seit jeher eine schwer zu beschreibende Wirkung auf Betrachter*innen aus, die Genaro Strobel selbst als “zehrend” zu fassen versucht, wo das Schwarz tief und – wie in diesem Fall durch warme Farbverläufe – als Hauptmotiv hervorgehoben ist.
“Zwischen dem Auge und dem Gehirn” löst sich der Titel der früheren Arbeit auf. Sie ist ganz schwarz gedruckt, enthält zwei nur wenig gegeneinander gedrehte Ansichten des Vollmonds, Scheibe neben Scheibe. Der Aufbau erinnert an das zweiäugige Sehen, Stereofotografie, die Illusion von Dreidimensionalität. Die verschiedenen Achsen lassen sich jedoch nicht auf ein Subjekt zum gleichen Zeitpunkt beziehen. Zwischen dem Auge und dem Gehirn liegen die Fasern des Sehnervs. Hier lokalisiert der Künstler (in einer E-Mail) den Ausgangspunkt aller seiner Holzgravuren. Dorthin sollen diese auch wieder zurückkehren, wenn sie schließlich an einer Wand hängen, um vorurteilsfrei betrachtet werden zu können.
León Krempel